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Mario Grizelj (Ludwig-Maximilians-Universität München)

SCHAUER ZWEITER ORDNUNG. MELMOTH THE WANDERER UND DIE DE/KONSTRUKTION WESTEUROPAS

Mein Vortrag möchte versuchen in die vorteilhafte Position zu kommen, Versus-Positionen zweiter Ordnung auszuhebeln. Es ginge darum, die Binarismen von ‚souveräne/gespaltene Identität’‚ Sowohl-als-auch-/Entweder-oder-Logik’ und in einer weiteren Verkomplizierung den Binarismus von ‚Binarismus/Hybridität’ zu dekonstruieren. Hierzu scheint eine in Ansätzen schon erprobte Korrelation von Postkolonialen Theorien und Systemtheorie hilfreich zu sein. Dabei soll deutlich werden, dass die angeblich ‚souveräne westeuropäische Identität’ mitnichten in der Lage ist, ihre Sowohl-als-auch-Logik rein zu halten, da sie repressiv und kolonialistisch die Welt unterteilt in entweder zivilisiert (‚sowohl-als-auch’) oder barbarisch (‚entweder-oder’). Die weltbürgerliche ‚souveräne westeuropäische Identität’ ist auf dieser Ebene zweiter Ordnung selbst von der barbarischen Logik unterminiert, die sie so generös domestizieren möchte.

Diese (Hypo-)Thesen sollen allerdings nicht allein auf theoretischer Ebene erörtert werden. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass in besonders prägnanter Weise das ‚westeuropäische Genre’ des Schauerromans die gespaltene Souveränität Westeuropas zum Thema hat. Anhand des Schauerromans aller Schauerromane, dem opulent-monumentalen Melmoth the Wanderer (1822) von Charles Robert Maturin, soll gezeigt werden, wie die westeuropäischen Nationen England, Frankreich, Spanien und Deutschland (alle spielen eine wichtige Rolle im Roman) durch religiöse (Inquisition), politische, koloniale und moralische Verwerfungen als Spielfeld abgründiger, gespaltener und ver-rückter Identitätsentwürfe dargestellt werden. Der faustische (Anti-)Held Melmoth reist und irrt 150 Jahre durch die (westliche) Welt und führt uns vor, wie die westlichen Nationen und die westlichen Identitäten intrinsisch an ihrem großangelegten Projekt einer souveränen Sowohl-als-auch-Identität scheitern. Die De/Konstruktion der souveränen westlichen Identität auf der Ebene zweiter Ordnung kommt somit exemplarisch dort in den Blick, wo die moderne westliche Gesellschaft mit ihren eigenen Phantomen, Gespenstern und Monstern konfrontiert wird.

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