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Anna Babka (Universität Wien)

SCHICHTEN DER DIFFERENZ UND DAS ‚ANDERE’ IM ‚EIGENEN’ REFLEKTIEREN. KONZEPTE UND ÜBERLEGUNGEN AUS DEM SPEKTRUM POSTKOLONIALER THEORIEBILDUNG (TRINH T. MINH-HA UND HOMI BHABHA) FÜR EINE ‚BINDE-STRICH-LITERATURWISSENSCHAFT’

„I am not i can be you and me…“ Ein Blick auf die Differenz zwischen dem „Ich“ mit großen und dem „ich“ mit kleinem „i“ im Text Woman. Native. Other von Trinh T. Minh-ha eröffnet Deutungsmöglichkeiten im Hinblick auf ein Denken der Differenz oder différance im wissenschaftlichen und politischen Kontext. Trinhs Text entfaltet hier die Schichtungen des Ich und evoziert eine kritische Distanz zu Begriffen wie Selbst, Ursprung, Reales und Authentizität. Die Schwierigkeiten mit dem Umgang mit der eigenen Identität, würden, so sagt es der Text, „erst dann weniger unüberwindlich erscheinen, wenn es MIR/mir gelingt, zwischen einer Differenz zu unterscheiden, die auf Identität-Authentizität reduziert ist, und einer, die auch als kritische Differenz zu mir selbst verstanden wird.“ Dieses Verständnis von Differenz „unterminiert die gesamte Idee der Identität“, sie wird hier als „vielfältige, multiple Präsenz“ verstanden.

Trinhs Überlegungen deuten auf unendliche Schichten, auf die endlose archeologischen Arbeit an der Identität und es geht nicht zuletzt um Überschneidungen von Kategorien sozialer Ungleichheiten, wie etwa ‚Rasse’, Ethnizität, Hautfarbe, Klasse, Alter und anderer identitätsformierender Elemente. Das Ich befindet sich an der Schnittstelle mehrerer Achsen der Identität. Es ist ein dynamischer Kreuzungspunkt sexueller, geschlechtlicher, ‚rassischer’, klassenabhängiger, ethnischer etc. Identifikationen. Kein ‚wahres Gesicht’ existiert vor oder hinter dem ‚Scheinbaren’. Das schreibende Subjekt, die nicht-weiße Frau, die lesbische nicht-weiße schreibende Frau, die „Asian-American“ usf., ist nicht Ursprung, sondern Effekt einer symbolisch-diskursiven Praxis, in der sie verschiedene Subjektpositionen einnehmen kann/muss. Die Kategorien stehen in unterschiedlichen Kräfteverhältnissen zueinander, sind vielschichtig ineinander verwoben.

Im Schriftbild zeigt sich diese Vielschichtigkeit über die Bindestriche, die diese Kategorien aneinandereihen – ‚hyphanated’, ‚durch Bindestrich verbunden’, und es geht dann auch um „hyphenated identities“, wie es Trinh an anderer Stelle formuliert, um hybride Identitäten, wie es mit Bhahbas Konzeption des Begriffs der Hybridität beschrieben werden könnte. Der Bindestrich erzeugt einen Zwischenraum, einen Grenzraum, eine Kontaktzone, einen ‚dritten Raum’ möglicherweise. Dieses Konzept des „dritten Raumes der Äußerung“ kann als „Vorbedingung für die Artikulation kultureller Differenz“ verstanden werden.

Der Schreiben zur/um die Differenz wird sowohl bei Trinh als auch bei Bhabha als kreativ-produktiver, ästhetisch und philosophisch konturierter Denkprozess lesbar, der das Dazwischen auslotet, der als ‚Verhandlung an der Grenze’ gedacht werden kann, als Grenzgang, Grenzerfahrung, Grenzexploration und Grenzereignis, wie Trinh es an anderer Stelle formuliert: „Ich möchte nicht über etwas sprechen, nur nahe daran entlang.“ Das nimmt sich der Vortrag vor als Beitrag zur Tagung, als Mit-und-daran-entlang-Denken im Sinne einer ‚Binde-Strich-Literaturwissenschaft’.

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